Kolonialgedenkbrunnen

Antonia Besel

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Am 6. bis 8. September 1930 fand in Weimar die Kolonialtagung des Deutschen Kolonialkrieger-Bunds statt. Einer der „Höhepunkte“ dieser Tagung war die feierliche Einweihung eines Kolonialgedenkbrunnens mit zahlreichen Beteiligten und Befürworter*innen.[1] Dieses inzwischen abgerissene Kolonialdenkmal am August-Bebel-Platz war Ausdruck einer revanchistischen Ideologie, die später auch den Nationalsozialismus befeuerte. 13 Jahre nach dem Versailler Vertrag und der Abgabe der deutschen Kolonien deutet er auf das Begehren nach einer Wiedererlangung der „Schutzgebiete“ hin. 

Kolonialbrunnen (Fotograf unbekannt, Stadtarchiv Weimar)

Gestaltung und Symbolik des Kolonialgedenkbrunnens

Die Unterstützung für das Projekt eines Kolonialgedenkbrunnens kam in großem Maße vom Land Thüringen und seiner exekutiven Kraft, dem Weimarer Oberbürgermeister Dr. Walter Felix Mueller.[2] In der Gestaltung des Brunnens spiegelte sich die koloniale Ideologie wider: Oben auf dem Brunnen[3] befand sich die Statue eines Adlers, der auf einer Weltkugel sitzt. In seinem Flügel steckt ein Pfeil und mit seinen Klauen umschließt er[4] „deutsches Kolonialland“[5], so wörtlich aus der Thüringer Landeszeitung des 7. Septembers 1930. Der symbolträchtige Adler, welcher sinnbildlich für das Deutsche Reich steht, thronte auf der Erdkugel und krallte mit seinen Krallen sein vermeintliches Eigentum. Trotz seiner Verwundung durch einen Pfeil im Flügel – symbolisch steht diese für den Versailler Vertrag – hielt er an den Kolonien fest. Dieses Festhalten symbolisiert das Bestreben nach Wiedererlangung der ehemaligen Kolonien, so als hätte sie der Adler nie losgelassen.

Der Adler und die Weltkugel stammten vom Bildhauer Josef Seife.[6] Unten auf dem Sockel des Brunnens standen die Namen der ehemaligen Kolonien Deutschlands.[7]

Grund der Errichtung des Kolonialgedenkbrunnens

Der Brunnen wurde am 7. September 1930 feierlich eingeweiht. Aus verschiedenen Reden, Zeitungsartikeln, Briefen und der ausgehändigten Tagesordnung ist heute noch klar erkennbar, wie das Tagungswochenende ablief, wer daran beteiligt war und welches koloniale, nationalistische und zubnehmend faschistische Gedankengut vertreten wurde. Die während der Kolonisation errichteten Denkmäler sollten als Bezugspunkte für das „Neu-Deutschland“ dienen und so dem Kolonialgedanken Popularität verschaffen. Nachdem das Deutsche Reich seine Überseebesitzungen in Folge des Ersten Weltkrieges abtreten musste, sollten weitere Denkmäler dafür sorgen, dass das von den Siegermächten „geraubte“ deutsche Kolonialreich in den Köpfen der Menschen verankert bleibt.[8] Zu diesem Zweck wurden auch neue Denkmäler errichtet, wie der hier behandelte Kolonialgedenkbrunnen. In engem Zusammenhang mit dessen Errichtung steht nicht nur der Deutsche Kolonialkrieger-Bund, sondern auch der zu dieser Zeit amtierende Weimarer Oberbürgermeister Dr. Mueller, der vom 29. März 1920 bis zum 30.September 1937 das Amt innehatte.[9]

Willkommensgruß zur Tagung des Kolonialkriegerbundes

Am 20. August 1930 erhielten der Polizeioberwachtmeister Flamm und die Presse einen Willkommensgruß von eben jenem Oberbürgermeister. Darin hieß er den deutschen Kolonialkrieger-Bund in der thüringischen Landeshauptstadt herzlich willkommen. Er kündigte an, dass anlässlich der Tagung der Kolonialgedenkbrunnen am damaligen Bismarckplatz, heute August-Bebel-Platz, eingeweiht werden sollte. Er entstand aus einer gemeinsamen Arbeit des Bundes und der Stadt und soll zum Ausdruck bringen, dass „[…] auch in der Stadt Weimar der Kolonialgedanke lebt und trotz […] politische[r] und wirtschaftliche[r] Nöte auch für die Zukunft wach gehalten werden soll.“[10] Er fuhr fort, dass für Deutschland, sowie für alle anderen europäischen Mächte, Stützpunkte in Übersee aus wirtschaftlichen und ideellen Gründen äußerst wichtig wären. Zudem insistierte er, dass man einen Anspruch auf die Rückgabe der „eigenen“ Kolonien erheben müsste. Auch die Arbeit des Kolonialkrieger-Bundes in Weimar sollte „dem Kolonialen Gedanken dienen“.[11] Mueller wandte sich in einem persönlichen Brief auch noch einmal an den Deutschen Kolonialkrieger-Bund und sprach ihm seinen „verbindlichsten Dank“[12] aus und fügte hinzu, dass er „der Einladung gerne Folge leisten“[13] werde.[14]

Zeitungsartikel zur Einweihung des Kolonialgedenkbrunnens

Die Kolonialtagung beginnt am Samstag, den 6. September 1930, um 10 Uhr mit einer Präsidialsitzung im Kolonialheim. Am Sonntag, den 7. September 1930, kommt es dann um 3 Uhr nachmittags zur Einweihung des Kolonialgedenkbrunnens in Weimar, welche von Reden des Generalleutnants Ritter von Epp und dem Oberbürgermeister Mueller begleitet wird.[15] Am selben Tag schreibt die Allgemeine Thüringische Landeszeitung noch einmal deutlich, was schon zwischen den Zeilen des Willkommensgrußes zu lesen ist. „Die Jahrestagung des Deutschen Kolonialkrieger-Bundes […] [soll] in erster Linie der Arbeit zum Wiederaufbau deutscher Kolonialmacht dienen […]“[16] In dem Zeitungsteil über die Kolonialtagung ist immer wieder zu lesen, dass Deutschland Kolonien bräuchte und es wird klar die Rückgabe „unserer“ Kolonien gefordert. Ohne diese wäre ein Deutsches Reich nicht denkbar und man wäre auf die Rohstoffe der Kolonien angewiesen. Wenn diese nicht an Deutschland zurückgegeben werden würden, würde somit Übervölkerung, Armut und weiteres Elend in Deutschland befeuert werden. In den Texten wird Deutschland als Opfer hingestellt. Die Deutschen seien „Lohnsklaven“ der großen Kolonialmächte, da ihnen Kolonien „vorenthalten“ würden. Während des gesamten Wochenendes wurde auch immer wieder Soldaten gedacht, die in Afrika gefallen waren. Sie werden als „Kolonialhelden“ bezeichnet und in besonderem Maße geehrt.[17] Von Kolonialverbrechen wie Repression, Vertreibung, Krieg und Genozid an den Herero und Nama ist nirgends etwas zu lesen. Die Landesregierung Thüringens positioniert sich klar: Staatsminister Baum äußert sich in der Allgemeinen Thüringischen Landeszeitung, dass die Landesregierung[18] „alle Bestrebungen auf Wiedererlangen des [Deutschland] zu Unrecht vorenthaltenen Kolonialbesitzes unterstützen und fördern [werde]“.[19]

Briefverkehr zwischen Oberbürgermeister Dr. Mueller und dem Deutschen Kolonialkrieger-Bund

Nach der Enthüllung des Kolonialgedenkbrunnens erreichen den Oberbürgermeister Dr. Mueller zwei weitere Briefe des Deutschen Kolonialkrieger-Bundes. Der Erste stammt vom 13. September 1930 und dankt erneut dem Bürgermeister und seiner Stadtverwaltung explizit für die Errichtung des Kolonialgedenkbrunnens. Sie freuen sich besonders, dass „Weimar solches Verständnis und Interesse für die kolonialen Notwendigkeiten zeigt und die koloniale Werbung fördert.“[20] Wer aus dem Brunnen Wasser trinkt oder ihn nur betrachtet, soll der ehemaligen Kolonien gedenken. Hier zeigt sich erneut, wie positiv die Erinnerung an die Kolonien in der Weimarer Republik geprägt ist. Sie wird von einer Trauer über den Verlust der Kolonien begleitet. Das Leid der indigenen Menschen, die in den Kolonien leben und gelebt haben und die Kolonialverbrechen an ihnen werden außer Acht gelassen und mit keinem Wort erwähnt. Der Besitz von Kolonien wird glorifiziert und ihr Verlust geht mit einer konstruierten Opferrolle Deutschlands einher.  

Aus dem Text geht auch hervor, wie sehr Dr. Mueller den Weimarer Kolonialverein unterstützt hat.[21] Im zweiten Brief an Dr. Mueller wendet sich nun der Vizepräsident des Deutschen Kolonialkrieger-Bundes Herr Lowe persönlich an ihn. Auch hier ist zu lesen, wie sehr sich der Oberbürgermeister an der Gestaltung des Kolonialgedenkbrunnens beteiligt hat. Lowe reflektiert außerdem, wie aktiv Weimar schon an der Erfurter Tagung 1921, „dem ersten Anstoß zur Aktivierung des kol. Gedankens“[22] teilgenommen hat. Er schreibt auch, dass Weimar nun die erste deutsche Stadt wäre, die sich mit der Errichtung des Kolonialgedenkbrunnens offen zu den Ideologien des Kolonialismus bekennt.[23]

Aus allen Texten ist ganz deutlich herauszulesen, dass die Stadt Weimar und insbesondere Oberbürgermeister Dr. Mueller ganz eindeutig die koloniale Ideologie vertreten und auch finanziell und materiell unterstützten. Ohne sie wäre die Tagung des Deutschen Kolonialkrieger-Bundes in dieser Form nicht möglich gewesen. Auch die Errichtung des Kolonialgedenkbrunnens ist nur auf die Initiative der Stadt Weimar zurückzuführen und schien ein Geschenk an den deutschen Kolonialkrieger-Bund zu sein.     

Das Denkmal ist heute nicht mehr in Weimar vorzufinden. In der DDR sind ab 1945 alle der Regierung bekannten Kolonialdenkmäler zerstört worden. Dies erfolgte in Zusammenhang mit[24] „der Zerschlagung der überkommenen ‚imperialistischen Erblast‘ Deutschlands.“[25]

Der August-Bebel-Platz heute

Heute ist der August-Bebel-Platz im Weimarer Stadtbild eher in den Hintergrund gerückt. Der Umgang der DDR mit Erinnerunsorten des deutschen Kolonialismus ist kritisch zu sehen. Statt Orte wie diesen zur kritischen Erinnerung an die deutsche Kolonialherrschaft zu nutzen und Denkmäler zu rahmen, zu kontextualisieren und kritisch aufzuarbeiten, wurde der Kolonialbrunnen ohne Ersatz zum Verschwinden gebracht. Eine Aufarbeitung der Thematik und damit verbundene Aufklärungsarbeit wären wünschenswert gewesen. Heute wissen die meisten Menschen dadurch nicht mehr, wie eng Weimar mit dem Kolonialgedanken verbunden war. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang auch ein neues Denkmal, das den Opfern des deutschen Kolonialismus gewidmet ist.     

Quellen

  • Van der Heyden, Ulrich; Zeller, Joachim (2007): Kolonialismus hierzulande – Eine Spurensuche in Deutschland. Erfurt: Sutton Verlag GmbH.
  • o.V.: Weimars Stadtoberhäupter seit 1793. In: stadt.weimar.de, URL: https://stadt.weimar.de/ueber-weimar/stadtgeschichte/oberbuergermeister/, Zugriff: 05.02.2020
  • Willkommensgruß, Tagesordnung, Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, Brief: Deutscher Kolonialkrieger-Bund an Herrn Oberbürgermeister Dr. Mueller 13.9.30 und Brief: Lowe an Oberbürgermeister Dr. Mueller stammen aus dem Stadtarchiv Ordner mit der Signatur: 12/1-12-18

Endnoten

[1] Vgl. Tagesordnung, An: 12/1-12-18

[2] Vgl. Tagesordnung, An: 12/1-12-18

[3] Der Entwurf stammt von Stadtoberbaurat Lehrmann und wurde vom Architekten Saalborn aus dem Gestein Travertin hergestellt.

[4] Vgl. Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[5] Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[6] Vgl. Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[7] Vgl. Brief: Deutscher Kolonialkrieger-Bund an Herrn Oberbürgermeister Dr. Mueller 13.9.30, An: 12/1-12-18

[8] Vgl. Van der Heyden/Zeller 2007: 267

[9] Vgl. Website

[10] Willkommensgruß, An: 12/1-12-18

[11] Willkommensgruß, An: 12/1-12-18

[12] Willkommensgruß, An: 12/1-12-18

[13] Willkommensgruß, An: 12/1-12-18

[14] Vgl. Willkommensgruß, An: 12/1-12-18

[15] Vgl. Tagesordnung, An: 12/1-12-18

[16] Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[17] Vgl. Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[18] Vgl. Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[19] Allgemeine Thür. Landeszeitung: 7. September 1930, An: 12/1-12-18

[20] Brief: Deutscher Kolonialkrieger-Bund an Herrn Oberbürgermeister Dr. Mueller 13.9.30, An: 12/1-12-18

[21] Vgl. Brief: Deutscher Kolonialkrieger-Bund an Herrn Oberbürgermeister Dr. Mueller 13.9.30, An: 12/1-12-18

[22] Brief: Lowe an Oberbürgermeister Dr. Mueller, An: 12/1-12-18

[23] Vgl. Brief: Lowe an Oberbürgermeister Dr. Mueller, An: 12/1-12-18

[24] Vgl. Van der Heyden/Zeller 2007: 267

[25] Van der Heyden/Zeller 2007: 267