A Weimar for all!


Weimar, den 21.04.2021

Sehr geehrter Oberbürgermeister Peter Kleine,

wir sind ein Netzwerk zivilgesellschaftlich organisierter Initiativen, sozialer Träger, Personen, Vereine, gastronomischer Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Stiftungen der Weimarer Stadtlandschaft. Mit Besorgnis beobachten wir in den vergangenen Wochen einen zunehmenden Vandalismus, den wir als einen Ausdruck von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit verstehen. Wir freuen uns über Ihre Aufmerksamkeit und hoffen auf Ihre Bereitschaft, gemeinsam ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt in unserer Stadt setzen zu können.

Was uns besorgt: Am 21. Januar 2021 wurden in der Schiller- und Steubenstraße insgesamt vier Stolpersteine mit grauer Farbe übermalt. Am 02. März 2021 wiederholte sich diese Beschädigung in der Steubenstraße. In Anbetracht der Last von Buchenwald ist ein kritisches Gedenken an den Holocaust sowie das Aufarbeiten vergangener Verstrickungen der Stadt Weimar mit dem ehemaligen Konzentrationslager notwendig. Wir als Stadtgesellschaft tragen Sorge für das Erinnern und sind demnach empört, wenn einem wichtigen Element des Gedenkens ein solcher Umgang widerfährt.

Am 02. März 2021 wurde die Ladenfront des Café Spunk in der Marienstraße mit einem Ziegelstein eingeworfen und am 15. März 2021 wurden Plakate, die an das rechtsterroristische Attentat in Hanau im vergangenen Jahr erinnern, bei der Bäckerei Brotklappe in der Triererstraße mit blauer Farbe unkenntlich gemacht. Auch das Café Spunk zeigte diese Plakate in ihrem Ladenfenster vor dem Einwurf der Glasscheibe.

Der hier aufgelistete Vandalismus in Weimar fand seinen Höhepunkt am 28. März 2021, indem die Ausstellung des Netzwerk Antirassismus Weimar zum Internationalen Tag gegen Rassismus am Jugend- und Kulturzentrum Mon Ami durch Unbekannte zerstört wurde. Hier waren u.a. Menschen abgebildet, die in Weimar leben, arbeiten, studieren und im Rahmen der Ausstellung über ihre alltäglichen Rassismuserfahrungen öffentlich berichteten. Die letzten Ereignisse lösen ein großes Unsicherheitsgefühl bei betroffenen Menschen aus. Zudem erleben die chinesischen, koreanischen und vietnamesischen Communities in Weimar seit dem Beginn der Pandemie vermehrt Belästigungen und Diskriminierungen.

Wir brauchen deshalb jetzt eine klare Haltung und öffentliche Positionierung der Stadtspitze gegen rechtes Gedankengut, gegen Rassismus und jede Form der Diskriminierung. Daran möchten wir vier Forderungen anschließen.
Erstens ist es unserer Ansicht nach notwendig, eine unabhängige neutrale Antidiskriminierungsstelle, die beratend und dokumentierend tätig ist, einzurichten und – wenn bereits vorhanden – zu unterstützen. Menschen, die Diskriminierungserfahrungen erleben, sollen hier einen Safe Space vorfinden, in dem sie sichtbar und hörbar werden. Zweitens braucht die Stadt Weimar dringend ein Integrationskonzept, das die Pluralität der Stadtgesellschaft wiedergibt und kreative Lösungen des Miteinander-Lebens in einer vielfältigen Gesellschaft aufzeigt. Drittens müssen rassistische Straftaten mit Konsequenz verfolgt werden und eine klare öffentliche Positionierung der Stadt Weimar gegen Rassismus und gegen rechts ist unserer Ansicht nach erforderlich. Zuletzt muss die Stadt Weimar als Sicherer Hafen mit Ernsthaftigkeit mehr Platz für Menschen mit einer Fluchterfahrung schaffen. Gerade in dieser pandemischen Zeit brauchen wir Orte des Zuhörens, der Kooperation und eine tiefe Solidarisierung.

Wir brauchen neue Konzepte des Miteinanders, der Mitgestaltung, des Mitmachens! Der pluralen Realität hinken wir gerade hinterher. Viele Menschen in der Stadt Weimar leiden und wir finden, es ist an der Zeit das zu ändern. Es gibt viel zu tun mit Herz, Hand und Verstand.

Unterzeichner*innen

_ AWO, Förderverein WE United
_ Radio LOTTE Weimar e.V.
_ C. Keller & Galerie Markt 21 e.V.
_ Der Laden Weimar e.V.
_ ACC Galerie Weimar
_ stellwerk weimar e.V.
_ Other Music Academy e.V.
_ Projekt- und Designwerkstatt Gaswerk
_ Café Spunk
_ BROTKLAPPE
_ Stadtelster
_ Röstbrüder
_ Fama – Café und Bücher
_ Weimar Kebab Haus
_ Ausländerbeirat der Stadt Weimar
_ Stadträt*innen der Stadt Weimar: Ann-Sophie Bohm, Ines Bolle, Anton Brokow-Loga, Franziska S. Fährmann, Bärbel Fiedler, Fritz Folger, Daniel Gracz, Thomas Hartung, Hans-Joachim Heuzeroth, Rudolf Keßner, Virginie Klemm, Jan Kreyßig, Hubert Krüger, Andreas Leps, Marco Modrow, Dirk Möller, Katja Seiler, Dirk Slawinsky, Wolfram Wiese
_ Caritas Region Mittelthüringen
_ Eric Wrasse, Pädagogischer Leiter der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar
_ Distanz Distanzierungsarbeit, jugendkulturelle Bildung und Beratung e.V.
_ Netzwerk Antirassismus Weimar
_ Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar
_ Vielfalt Leben – QueerWeg Verein für Thüringen e. V.
_ NETZWERK WELCOME WEIMAR
_ Referat für Politische Bildung der Bauhaus-Universität (Pol B), BIPOC YMR
_ Migrantifa Weimar
_ Fridays for Future Weimar
_ Decolonize Weimar
_ Studierendenkonvent der Bauhaus-Universität Weimar
_ Achava Festspiele Thüringen
_ Prof. Dr. Frank Eckardt, Professur für Sozialwissenschaftliche Stadtforschung, Bauhaus-Universität Weimar
_ Prof. Dr. Christiane Voss, Graduiertenkolleg Medienanthropologie, Bauhaus-Universität Weimar
_ Jun.-Prof. Dr. Julia Bee und Dr. Elisa Linseisen, Professur Bildtheorie, Bauhaus-Universität Weimar
_ Matteo Müller, Schülersprecher, Staatliche Gemeinschaftsschule Jenaplan Weimar/ Schule ohne Rassismus
_ Harald Zeil, stellvertretender Schulleiter, Staatliche Gemeinschaftsschule Jenaplan Weimar